Missbrauchsopfern wird meist von vielen Seiten empfohlen, es wäre für sie hilfreich, "damit abschließen - Frieden schliessen zu können", wenn sie den Tätern verzeihen würden. 
 
 
"Vergebung muss immer da sein. Aber von Vergebung darf man erst reden, wenn die Menschen sich danach sehnen."
von Heinrich Lhotzki
 
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"Gewaltfreiheit ist bedeutungslos, wenn sie von einer hilflosen Kreatur ausgeht. Eine Maus wird einer Katze kaum vergeben, wenn sie es zulassen muss, von ihr in Stücke gerissen zu werden."
von Mahatma Ghandi
 
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​Ich frage:
Wie kommt Lhotzki darauf, "dass Vergebung immer da sein muss"?
Wieso muss das so sein- wer sagt das -wem ist damit geholfen - um wen geht es dabei?
Ist Verzeihen hilfreich?
 
Dieses ganze Verzeihen können sollen müssen ist nichts anderes als ein Glaubenssatz, den Täter seit Menschengedenken in die Hirne ihrer Opfer eingebrannt haben und die Opfer haben sich diesen Glaubenssatz derart verinnerlich, dass scheinbar kaum jemand auf den Gedanken kommt, solch einen Satz zu hinterfragen.
Alice Miller tut das in ihren Büchern jedoch sehr detailliert und deutlich. Dafür gebührt ihr der Dank der Opfer - über Alices Tod hinaus!
 
Was ist Vergebung, was ist es NICHT?
Mythos Vergebung
 
Ein Opfer kann Ver-Geben =  zurückgeben, was getan wurde.
Die Verantwortung für erlebtes Leid dahin abgeben, wo es herkam, seinen Ursprung hat, nämlich zum Täter, wenn dieser darum Bittet, ihm zu Ver-Geben.
Dies wird der Täter tun, wenn er dazu bereit ist, etwas An-Zunehmen. 
Sprich: Zu erkennen und seine Verantwortung zu übernehmen, für das, was er dem Opfer angetan hat.
 
Aber selbst, wenn der Täter jegliche Verantwortung ablehnt - weil es ihm auf Grund eigener psychischer Störungen gar nicht möglich ist, sich in sein(e) Opfer einzufühlen und nach zu vollziehen, dass er ihm/ihnen Unrecht antut und Leid zufügt, kann es hilfreich für das Opfer wirken, sich bewusst zu werden:
 
  •  Das Opfer selbst trägt keine Verantwortung für das, was ihm der Täter antut, angetan hat.
  •  Die Verantwortung liegt einzig und allein beim Täter.
  •  Das Opfer muss sich nicht schuldig, minderwertig, schlecht, "verdient so behandelt zu werden/worden sein" fühlen.
  •  Die Taten des Täters sind die Folgen dessen eigener "Gestörtheit" und das Opfer hat nichts dazu beigetragen, was das Verhalten des Täters ihm gegenüber  rechtfertigt.
  •  Psychische, physische Gewalt, sexueller Missbrauch, das Benutzen von Menschen zur eigenen, krankhaft-narzisstischen Bedürfnisbefriedigung oder zu anderen  Selbstzwecken auf Kosten der psychischen und physischen Unversehrtheit einer anderen Person ist mit nichts, aber auch gar nichts zu entschuldigen.
  •  Der Täter schleppt den Ballast aus seiner eigenen Vergangenheit unbewältig mit sich und lädt ihn durch seine Taten auf dem unschuldigen Opfer ab...........das, wenn es den an ihm selbst begangenen Missbrauch nicht erkennen lernt, selber häufig zum Täter wird, welcher Opfer hinterlässt und damit weitere Täter produziert........und so weiter und so fort.....
 
Wer Verzeihen empfiehlt stelle sich vor, er habe seelischen und/oder körperlichen Schmerz erlitten und trete dann dem Täter gegenüber.
Der Täter bestreitet seine Tat, ist nicht bereit, die Verantwortung für seine Taten zu übernehmen - im Gegenteil, er bezichtigt das Opfer der Lüge oder rechtfertigt seine Taten durch irgendwelche äusseren Umstände, die ihn zu den Taten gezwungen hätten, ohne anzuerkennen, dass diese Taten - egal was sie ausgelöst hat - großes Leid im Opfer verursacht haben.
 
Mancher Täter gibt die Schuld an seinen Taten sogar ausdrücklich dem Opfer, indem er erklärt, dass dieses sein Verhalten verursacht habe - anstatt anzuerkennen, dass er selbst - der Täter - zu unangemessenen, krankmachenden Massnahmen gegriffen hat, weil er selbst in seiner Psyche im Grunde eine ge-(zer)störte Persönlichkeit ist, die sich in vielen Situationen dem eigenen Leid hilflos, schutzlos und mit Mangel an Empathie und sozialer Kompetenz, wie auch mangelnder emotionaler Intelligenz, ausgeliefert fühlt.
 
Der Täter steckt mitten in diesem Teufelskreis: Selbst Opfer von Missbrauch, den er nie lernte wahrzunehmen und aufzuarbeiten, wurde er zum Täter.
Der Täter zeigt keine Reue und ist nicht bereit zu sagen:
"Es tut mir leid, dass ich Dir das angetan habe. Ich bitte Dich um Entschuldigung."
 
Was würden sie diesem Täter sagen?
Ich verzeihe Dir?
War ja alles gar nicht so schlimm?
Mach Dir keinen Kopf, es ist vorbei - auch wenn ich die Folgen Deiner Taten immer noch spüre, in Erinnerungen die Taten nacherlebe und sie mein Wohlgefühl beeinträchtigt haben oder es sogar noch tun?
 
Was würden Sie dabei fühlen?
Inneren Frieden?
Aussöhnung?
Erleichterung?
 
Schön, wenn es so einfach wäre..................aber das ist es in der Realität für betroffene Opfer nicht.
 
Ist es "nachtragend", wenn man solch einem Täter nicht verzeiht?
Ja und es ist angebracht, die Taten dem Täter nachzutragen, solange, bis man diese Taten für sich selbst verarbeiten gelernt hat.
Den Tätern die Taten "nachtragen", sie damit zu konfrontieren, ist auch für den Täter eine Chance auf Gesundung und darauf seinen inneren Frieden zu finden, indem er sich möglicherweise damit auseinandersetzt und das, was ihm nachgetragen wird, annimmt, akzeptiert und die Ursachen in sich selbst und der eigenen Vergangenheit finden kann, die er seinerseits dann erkennen, verstehen und verarbeiten lernt...........und damit wäre der Teufelskreis unterbrochen.
 
Umso mehr Opfer, die zu Tätern wurden, sich selbst reflektieren, sich Hilfe suchen und ihren Opfern gegenüber Verantwortung übernehmen und umso mehr Opfer, den an ihnen begangenen Missbrauch frühzeitig durchschauen, und erkennen, welche Auswirkungen das auf ihr ganzes Leben und das der nachfolgenden Generationen hat - umso weniger Opfer wird es in der Zukunft geben.
 
Und JA, man darf die Täter hassen, wütend sein, enttäuscht sein und ihre Taten verurteilen.
 
Der Täter hat Mist gebaut und nicht das Opfer und somit ist das Opfer dem Täter nichts, aber auch gar nichts schuldig!
 
Es obliegt alleine dem Täter, sich mit sich selbst und seiner eigenen Vergangenheit inclusive der dort stattgefundenen Taten, auseinander zu setzen!
 
Anstatt zu versuchen, etwas zu verzeihen, was der Täter nicht anerkennt, getan zu haben, ist es für Opfer hilfreicher, für sich selbst anzuerkennen, dass der Täter diese Taten begangen hat, trotzdem er es abstreitet und nicht bereut.
 
Denn, solange der Täter alle Schuld von sich weist, begeht er weitere Taten am Opfer, übt weiterhin psychische Gewalt aus, indem er ihm seine zugefügten Leiden abspricht, ihn womöglich der Lüge oder gar des Einverständnisses in die Taten bezichtigt und somit weiter versucht, ihm "weh" zu tun - um sich als Täter selbst die positiven Gefühle zu erhalten, die sich bei einem Schuldeingeständnis ins Negative verwandeln würden, und zwar wohlverdient, weil selbst verursacht.
 
Nicht das Opfer steht in der Pflicht, sich mit den Gründen, Ursachen und Entschuldigungen für den Täter auseinander zu setzen, sondern der Täter selbst, für sich ganz alleine.
 
Entgegen der Aussagen der Aussenstehenden braucht ein Opfer, das den immer wieder propagierten Verzeihungsprozess nicht durchlaufen kann und will, nicht verbittern oder ein Leben lang an den Folgen der Taten leiden.
 
Im Gegenteil:
Wenn ein Opfer begreift, dass es Opfer war, das Erlittene und die daraus entstandenen Gefühle anerkennt, kann es damit abschließen und für SICH SELBST damit Frieden finden, indem es im bewussten Prozess der Auseinandersetzung mit  den früheren Taten, diesen die Macht über das weitere Leben nimmt.
 
Das Opfer kann sich darüber bewusst werden, dass es unabhängig von der Anerkennung oder dem Mitgefühl des Täters für die Taten und deren Folgen, sein eigenes Leben leben darf und kann, wie es will.
 
Vergebung, ein Verzeihen wird der Täter dann erfahren, wenn ER anerkennt, was er getan hat, wenn ER die Verantwortung für seine Taten übernimmt und lernt, SICH SELBST zu vergeben, was er getan hat.
Aber dazu muss ER es sich ersteinmal eingestehen.
Sein Opfer ist ihm in keinem Fall Vergebung/Verzeihung schuldig.
 
Viele Opfer empfinden im Laufe der Auseinandersetzungen mit dem erlittenen emotionalen Missbrauch, auch "ohne zu verzeihen", Mitleid mit den Tätern, die sie misshandelt und/oder seelisch und/oder körperlich missbraucht und misshandelt haben, nachdem sie durchschaut haben, wie emotional arm, gestört und oft krank die Täter sind.
Dieses Gefühl von Mitleid gegenüber dem Täter ist ein Ausdruck von Stärke des Opfers, das die eigene Empfindungsfähigkeit für seine Mitmenschen retten, bewahren oder wiedererlangen konnte.
 
Kein Mensch kommt mit der Absicht zur Welt, anderen Menschen Schaden und Leid zuzufügen.
Kein Erwachsener, der zum Täter wurde, hat als Kind darum gebeten so behandelt zu werden, dass er sich selbst später nicht anders zu helfen weiß, als auf die Art und Weise, Menschen emotional zu missbrauchen oder gar körperlich zu misshandeln.
 
In der heutigen Zeit jedoch gibt es Möglichkeiten, sich auch als Opfer, das zum Täter wurde, helfen zu lassen.
 
Jeder erwachsene Mensch, egal wie "gestört", trifft eigenverantwortlich seine persönlichen Entscheidungen:  
Entweder für die ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst - hin zur Heilung oder dagegen, um die alte Rolle weiterspielen zu können.
Für seine Entscheidungen ist einzig und allein die Person selbst verantwortlich - kein anderer Täter und auch kein Lebensumstand.
 
 
Bevor Du urteilen willst über mich oder mein Leben,
ziehe meine Schuhe an und laufe meinen Weg,
durchlaufe die Straßen, Berge und Täler,
fühle die Trauer, erlebe den Schmerz und die Freude.

Durchlaufe die Jahre, die ich ging,
stolpere über jeden Stein, über den ich gestolpert bin,
stehe immer wieder auf und gehe genau die selbe Strecke weiter,
genau wie ich es tat.  - Und erst dann kannst Du urteilen.
(indianische Weisheit)
 
Allnet flat

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